«Wenn Hörler auf der Flasche steht, dann ist Hörler drin!»

Sehr zur Freude der unzähligen Hörler-Fans. Denn der 38 Jahre junge Bündner Winzer Silas Hörler ist längst kein Geheimtipp mehr. Obwohl die meisten Wein-Aficionados seine Weine nur vom Hörensagen kennen. Warum? Nun, ganz einfach: Die gegen 10’000 kostbaren Flaschen sind immer schon längst ausverkauft, bevor der Wein auch nur abgefüllt ist.

Doch wer ist dieser Bündner Winzer?

«Nein, ich komme nicht aus einer Winzerfamilie», meint er schlicht, «mein Vater besass ein Baugeschäft, hat aber auch einen sehr gut bestückten Weinkeller…» Da konnte es nicht ausbleiben, dass Silas schon früh in Kontakt mit guten Tropfen und damit auf den Weingeschmack kam. Nach der Schule absolvierte er eine Kochlehre. Nicht irgendwo, sondern bei Thuri Maag in der «Blumenau», von Gault & Millau mit 17 Punkten bewertet.

«Ich merkte rasch, dass ich nicht bis zur Pensionierung Koch bleiben will. Wenn du es in diesem Beruf an die Spitze schaffen willst, musst du zuerst einmal zehn Jahre lang fast gratis bei den grossen Meistern ihres Fachs schuften.» Nichts für ihn! Noch heute dankbar ist er aber Lehrmeister Thuri Maag dafür, dass er sein unstillbares Interesse für Wein kräftig gefördert hat. «Er liess mich jeden Tag Weine blind verkosten und nahm mich mit an Degustationen.» Aus den ersten Lehrlingslöhnen leistet sich Silas… nein, kein Motorrad, sondern eine Kiste Bâtard-Montrachet von Leflaive.

«Er liess mich jeden Tag Weine blind verkosten und nahm mich mit an Degustationen»

Nach der Lehre arbeitet Silas Hörler nochmals eine kurze Weile als Koch, bei Seppi Kalberer im «Schlüssel» in Mels, wo er dessen Souschefin Martina kennen- und lieben lernt, «eine viel bessere Köchin als ich!». Doch dann ist die Zeit endlich reif, seiner ganz grossen Passion zu folgen: Er macht eine Winzerlehre bei Peter Hermann und auf Schloss Salenegg, und schliesst als Bester seines Jahrgangs ab. «Ich habe das geliebt und fand alles so spannend, dass ich es aufgesogen habe wie ein Schwamm.»

Der Traum vom eigenen Weingut

Nun reisen Martina und er kreuz und quer durch Australien. In Tasmanien arbeiten sie für ein paar Monate auf dem Weingut von Peter Althaus, ein Angefressener wie Silas. «Das war eine tolle Zeit!» Zurück in der Schweiz, findet Silas eine Praktikantenstelle bei Andrea Davaz – und wird nach nur einer Woche fest angestellt, verantwortlich für einen grossen Keller. «Doch ich hatte schon immer den Traum vom eigenen Weingut», erzählt er. Von Martinas «altlediger» Tante Betty kann er ein paar kostbare Rebparzellen übernehmen und seinen ersten Wein unter eigenem Namen keltern, einen Pinot aus der Parzelle Valäris auf der berühmten Fläscher Halde. «Der schlug ein wie eine Bombe, trotz seines stolzen Preises von Fr. 55.–. Aber er war so gut, dass ich ihn nicht verschenken mochte…» Verständlich. Und an Selbstvertrauen mangelt es dem leidenschaftlichen Winzer und Weinmacher sowieso nicht.

Gut so, denn der Anfang ist trotz allem nicht einfach. Um ein Haar kann er ein kleines Weingut in Maienfeld übernehmen und kündigt deshalb seine Stelle, merkt aber im letzten Moment, dass der Besitzer und er nicht dieselben Vorstellungen vom Winzerhandwerk haben. «Da war ich wirklich in einer blöden Situation.» Zum Glück kommt fast gleichzeitig die Anfrage von Schloss Salenegg, das ihn als Betriebsleiter und Kellermeister möchte. Was er bis heute ist – und nie bereut hat. «Wir sind ein tolles, dynamisches Team, und ziehen alle am gleichen Strick. Denn wir wollen alle dasselbe: an die Spitze!»

Jeder Wein ein kleines Kunstwerk

Silas Hörlers Tage scheinen 48 Stunden zu haben. Anders wäre sein Pensum nicht zu bewältigen. Neben seiner Aufgabe auf Salenegg bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Martina die eigenen Rebparzellen, die er nach und nach gepachtet und gekauft hat, keltert seine Weine bei einem befreundeten Winzer, da er selber keinen Keller hat, baut Getreide an und versorgt seine Tiere. 2016 hat das Paar nämlich einen Landwirtschaftsbetrieb mit 25 Hektar Land in Fläsch gekauft, auf dem heute Dutzende von Angus- und Kobe-Rindern gezüchtet und gemästet werden.

Aber sein Herzblut steckt vor allem in seinem Wein. 40% der verarbeiteten Trauben stammen von den eigenen Parzellen, teilweise von sehr alten Stöcken, die konzentrierte, hochwertige Trauben ergeben, 60% werden von benachbarten Winzern zugekauft. «Offiziell arbeite ich nach den Richtlinien der Integrierten Produktion, faktisch betreibe ich Bioanbau, einfach ohne Zertifikat. Aber es wäre nur ein sehr kleiner Schritt hin zu Bio.»

Mindestens so gross wie Silas’ Selbstvertrauen ist sein kompromissloser Wille zur Qualität. «Es ist keine Kunst, einen oder zwei Spitzenweine zu produzieren und den grossen Rest als Standard-Blauburgunder im Halbliter zu verscherbeln. Das kommt für mich nicht in Frage. Jeder Wein, auch der einfachste, muss ein kleines Kunstwerk sein, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ein richtig guter Weinbauer macht alles gut.» Wenn er ein Weingut bewertet, dann probiert er immer den einfachsten, günstigsten Wein. «Das ist meine Philosophie. Ich will, dass die Leute meinen einfachen Chardonnay trinken und ihn so gut finden, dass sie gleich nochmals eine Flasche öffnen.»

Weine mit Persönlichkeit

Sein Weinsortiment ist klein, aber fein. Chardonnay und Pinot Noir stehen im Mittelpunkt, allen voran die Lagenweine, etwa der edle Spitzen-Chardonnay Valäris (verfügbar ab Winter 22) von der Fläscher Halde, in Barriques vergoren und ausgebaut. Der Pinot Noir Kalkofen (Jahrgang 2021 ab Frühling 23) aus der gleichnamigen Maienfelder Parzelle von 50-jährigen Rebstöcken, zu 80% mittels Ganztraubenvergärung gekeltert und zwölf Monate in Barriques veredelt. Und schliesslich der vielschichtige, finessenreiche Pinot Noir Carsilias (Jahrgang 2021 ab Frühling 23) aus Maienfeld, von den ältesten Stöcken des Weinguts, die extrem niedrige Erträge, aber herrlich konzentrierte Trauben hervorbringen. Ein dichter, hochkomplexer Pinot, der ebenfalls zwölf Monate in Barriques reift. 

Die «einfacheren» Weine – unter uns: «einfach» sind sie alle nicht! –, der Chardonnay (verfügbar ab Winter 22) und der Pinot Noir Villages, werden aus Trauben verschiedener Parzellen produziert und bestechen durch saftige Frucht und Eleganz. So wie die weisse Cuvée La Silhouette, komponiert aus Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Blanc und Pinot Noir. Sie alle legen die Messlatte hoch, ganz so, wie das Silas Hörler nicht nur von anderen, sondern vor allem von sich selber verlangt.

«Wenn du Hörler-Wein trinkst, dann hast du Hörler-Wein in der Flasche», unterstreicht der Winzer. «Ich muss nicht dem Mainstream nachrennen und restsüsse Pinots produzieren, ich mache meine Weine so, wie ich sie genial finde. Meine Weine sollen Ecken und Kanten haben und eine ausgeprägte Persönlichkeit.» Diese Persönlichkeit ist es denn auch, die im Keller kräftig mitbestimmt. Alle Weine werden mit den eigenen Hefen vergoren. Und es ist immer der Wein, der entscheidet, ob und wann er den biologischen Säureabbau machen will, im Herbst oder erst im Frühling nach der Ernte. «Ich lasse die Gärprozesse einfach laufen. Zumindest solange der Jungwein gut riecht und schmeckt», fügt Silas Hörler lachend an.